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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Bereits für die zweite Jahreshälfte 2019 war eine gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung angekündigt. Für Arbeitgeber ist die derzeitige Situation ein Dilemma.

Ohne gesetzliche Grundlage ein Arbeitszeiterfassungssystem einzurichten, birgt das Risiko, die Voraussetzungen der zu erwartenden gesetzlichen Regelung nicht zu erfüllen. Nichts zu tun bedeutet jedoch, das Risiko zusätzlicher Vergütungsansprüche tragen zu müssen.

Nun bejaht das Arbeitsgericht Emden als erstes deutsches Arbeitsgericht eine schon heute bestehende Pflicht zur Einrichtung eines Arbeitszeiterfassungssystems (ArbG Emden, Urteil v. 20.02.2020 – 2 Ca 94/19). Im konkreten Fall klagte ein Arbeitnehmer nach Vertragsbeendigung auf eine vermeintlich noch ausstehende Vergütung. Er behauptete, 195,05 Stunden gearbeitet zu haben, aber nur für 183 Stunden bezahlt worden zu sein. Das ArbG stimmte der Klage auf den Differenzlohnanspruch zu.

Das ArbG bezieht sich in seinem Urteil insbesondere auf die Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung (vom 14.05.2019 – Rs. C-55/18). Es begründet seine Auffassung damit, dass der Arbeitgeber gegen die ihn gem. Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta (GRCh) treffende Verpflichtung zur Errichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit verstoßen habe. Die Verpflichtung zur Errichtung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung ergibt sich nach Auffassung des ArbG aus einer unmittelbaren Anwendung des Art. 31 Abs. 2 GRCh.

Diese vom ArbG angenommene unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 31 Abs. 2 GRCh steht im Widerspruch zur derzeit herrschenden Auffassung, die eine Umsetzung der in der Arbeitszeitrichtlinie verankerten Grundsätze durch den deutschen Gesetzgeber verlangt. Überdies ging es in der EuGH-Entscheidung darum, bezahlten Jahresurlaub gewähren zu müssen, nicht hingegen um etwaige Modalitäten der Urlaubsgewährung. Im Unterschied hierzu hatte der Rechtsstreit vor dem ArbG Emden aber gerade solche Modalitäten einer genauen Aufzeichnung der Arbeitszeit zum Gegenstand. Daher geht der Verweis des ArbG Emden auf die identische Struktur der Bestimmungen in der Sache letztlich fehl.

Dennoch wurde „ein Stein ins Rollen gebracht“ und es bleibt abzuwarten, wie andere Arbeitsgerichte mit diesem Thema umgehen werden. Für Arbeitgeber ist zu hoffen, dass in Folge dieses Urteils die angekündigte gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung endlich kommt und zumindest für die Zukunft Rechtssicherheit schafft.

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